Blitzlicht "Elternarbeit"

Für mich ist Arbeit mit den Eltern, in außerfamiliären Betreuungseinrichtungen für Kinder bis sechs Jahre, ein langwieriger Prozess, der viel Geduld und einen erheblichen Zeitaufwand benötigt.

Es muss ein gewachsenes Vertrauensverhältnis geschaffen werden, da nur dann überhaupt die Chance besteht, dass sie einem irgendwann wirklich zuhören können. Dies bedeutet aber, dass es mehr geben muss, als nur die zwischen Tür und Angel Gespräche beim Bringen und Abholen der Kinder und es bedeutet auch, dass man nicht mit erhobenen Zeigefinger durch die Elternwelt stampfen darf, sondern authentisch vermittelt, dass man sich ernsthaft interessiert und dass man davon ausgeht, dass sie es gut meinen mit ihren Kindern, dass man ihnen zuhört und sie in all ihren Widersprüchen ernst nimmt.

Der Abwehrkrampf meiner TeamkollegInnen gegen diese Art der Zusammenarbeit mit den Eltern war immer heftig, weil es in der konkreten Arbeitssituation auch bedeutete, noch mehr Zeit zu investieren, als die, die man, ohnehin schon mies bezahlt und nie ausreichend, bei einem rein funktionalen Ablauf benötigte.

Ein irrer Kreislauf. Der alle Beteiligten verzweifeln lässt.

Bewegungsdrang und Kinderturnen

Wenn beim „Turnen für die Kleinen (3-4Jahre)“ die Kinder immer wieder herrisch darauf hingewiesen werden, dass man hier nicht zusammen rennen und über die Matten toben darf und wenn beim Abschiedsliedsingen auf dem Händchen halten in Kreisform bestanden wird und KleinMadame einen Anschiss bekommt, wenn sie in der Mitte des Kreises tanzt und klatscht, und wenn ihre Mutter darauf hingewiesen wird, dass das Kind doch bitte nicht wie ein Pferd laut wiehernd (eines der Lieblingsspiele zur Zeit, weil unterschiedliche Pferde nämlich unterschiedlich wiehern und sich bewegen) durch die Halle rennen solle, weil das die anderen Kinder zum Mitmachen animiere und dies doch sehr störend sei, dann, ja dann, war es das, mit dem Kinderturnen an diesem Ort *grummel

*Anmerkung
Die meisten anwesenden Mütter finden es gut, dass schon hier auf Disziplin geachtet und der Bewegungsdrang der Kinder erzieherisch eingeschränkt wird. Immerhin müssten diese es ja so früh wie möglich lernen, damit es dann später keinen Stress in der Schule gäbe.

**Anmerkung
Ich erinnere mich gerade daran, wie die Kleinen bei den Ringern im Training und vor den Kämpfen und in den Pausen immer über die Matten getobt sind und die Erwachsenen dies lächelnd begleiteten und manch einer sich lachend mit in das Getümmel stürzte.

***Anmerkung
Das habe ich mir nicht ausgedacht.

Das Verstörende ist ja: Das sind alles sehr liebe, freundliche, hilfsbereite Menschen, so unter uns Erwachsenen. Wir kennen uns ja alle aus der Nachbarschaft. Sie lieben ihre Kinder und wollen das Beste für sie. Unbesehen. Doch sie sehen nicht, was da allereigentlich geschieht und was sie ihren Kindern antun und mitgeben. Es ist so, als müsste man jedes Mal wieder bei null anfangen. Es ist dieses alte Bild vom Kind, was da durchschlägt und für mich persönlich ist es immer, als würde ich in eine mir fremde Welt eintauchen, die sie als Normalität bezeichnen, die für mich aber nur total strange ist. Anstrengend. Bewegung ist ja viel mehr als nur Herumtoben. Ich glaube, der Prof. Dr. Gerald Hüther hat mal gesagt: "Wenn Sie wollen, dass ihr Kind ein Mathegenie wird, dann bringen Sie ihm bei auf Bäume zu klettern, über Bäche zu springen und auf dünnen Brettern zu balancieren." oder so ähnlich.

Gewalt gegen Kinder

Ich verstehe es nicht. Wir haben die Gesetze. Wir haben die Kinderrechtskonvention. Wir haben viele Organisationen, die sich für Kinder einsetzen. Wir haben Ausschüsse noch und nöcher. Wir haben engagierte Menschen. Wir haben fundierte Untersuchungsberichte und Informationsmaterialien bis zum Anschlag, sowohl gedruckte als auch virtuelle. Wir wissen seit Jahrzehnten um die Ursachen und um die Folgen. Trotzdem sind Schutz und Rechte von Kindern nur Randthemen im öffentlichen Bewusstsein und Gewalt gegen Kinder findet immer wieder und weiter statt. Die Zahlen steigen Jahr für Jahr. Ich kapiere es nicht.

Manchmal denke ich, dass wir da nicht weiterkommen, könnte vielleicht damit zu tun haben, dass die meisten Menschen entweder Täter, Mitläufer, Verschweiger oder Opfer in irgendeiner Form sind und von daher das Thema umschiffen und verdrängen. Anders kann ich es mir nicht mehr erklären. 

Plaudereien

Ich bin hin und weg von der Sprachentwicklung und der argumentativen Kompetenz von KleinMadame  (3J)   ;-)

Spielplatz.

"Guck mal, alle Kinder sind schon nach Hause gegangen. Wir könnten jetzt doch auch gehen, oder?"

"Jaaaa. Kinder sind weg. Bin doch nicht dumm. Ich muss aber noch fertig spielen."

Auch gut:

"Ich will aber!!!!" Gekreische, dass du denkst, die Plomben fallen dir aus dem Mund.

"Wie wäre es mit bitte? Das funktioniert ganz gut."

Man sieht quasi wie die Denkmaschine im Köpfchen arbeitet.

"Bitte!"

Sie bekommt, um was sie bat.

Und kreischt wieder los.

"Sag mal, warum schreist du jetzt? Du hast doch bekommen, was du wolltest."

"Ich war aber noch nicht fertig mit Schreien."

Und dann dieser Blick. Sie ist noch so klein und guckt mich dabei von oben herab an. Und ich gebe mich lachend geschlagen.

Oder, eben im Garten. Sie fährt mit dem Dreirad, ich setz mich auf den Stuhl. Schwupps, kommt sie angerannt: "Da will ich sitzen!"

"Nöh, hier sitze jetzt ich. Du kannst dich auf die Bank setzen."

Drama hoch zehn. Mit Tränen, Schnappatmung, heulend im Haus verschwinden, wieder auftauchen, tobend.

Weil meine Nerven nicht mehr die jüngsten sind: "Okay, dann nehme ich deine Kreide und du bekommst den Stuhl."

KleinMadame schnappt sich empört die Kreide und verzieht sich in die hinterste Ecke des Hofes. Malt. Ruft dann, ich solle kommen und es mir ansehen. Mach ich natürlich. Während ich gucke, rennt sie zum Stuhl, klettert drauf, thront wie eine Königin und lacht mich strahlend an. So sehen gewinnende Trickserinnen aus. Ich liebe sie!

Ist sie eine Zicke? Nein, sie ist trickreich, gewieft, kreativ, schlau, bestimmend, dickköpfig, selbstbewusst und eine wunderbare Dramaqueen.

Wenn sie so vor dem Spiegel steht und mit sich selbst spricht und alle möglichen Gefühle versucht mimisch auszudrücken, da badet sie in der staunenden Bewunderung ihrer Möglichkeiten und ist Königin ihres Selbst. Soooo schön!

Grundsätzliche Haltung zum Kind

Es gibt zwei grundsätzliche innere Haltungen in Bezug auf das Bild vom Kind:

1. Das Kind kommt als fehlerhaftes Wesen auf die Welt und muss durch Erziehung zu einem sozial verträglichen Gesellschaftsmitglied geformt werden.

2. Das Kind kommt als zutiefst soziales Wesen auf die Welt und verfügt über alle dazugehörigen Eigenschaften wie Empathie, Mitgefühl, Vertrauen in sich und andere, Offenheit und freundliche Neugierde. Es hat keine Vorurteile und liebt bedingungslos. Diese Eigenschaften sollen durch das Zusammenleben bestärkt, gefördert und ermutigt werden.

In jedem von uns liegt der Schwerpunkt und die Ausrichtung auf einer dieser Haltungen. Es ist wichtig, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, denn entsprechend dieser Haltung verhalten wir uns gegenüber dem Kind.

Ich habe oft erlebt, dass Eltern sich durch Freunde, Familie, Ratgeber verunsichern lassen, weil sie sich ihres inneren Bildes vom Kind an sich nicht klar waren. Das führt in der alltäglichen Praxis meistens zu im schnellen Tempo wechselnden, sich widersprechenden Verhaltensweisen gegenüber dem Kind. Verwirrt (und manchmal gar verzweifelt über sich) ist dann nicht nur der jeweilige Erwachsene, sondern vor allem auch die Kinder.

Es gibt nichts Schrecklicheres für Kinder als dieses Hin und Her zwischen unterschiedlichen Erziehungsstilen. Heute Hü und morgen Hott. Das verunsichert. Da ist keine Verlässlichkeit und genau diese braucht es doch so sehr von seinen Erwachsenen, denn vor allem sie gibt ihm die Sicherheit, von der ausgehend es die Welt erobern kann.

Ich habe in der Elternarbeit, auch in außerfamiliären Einrichtungen, oft Eltern dabei geholfen, sich über diese innere Haltung klar zu werden und mit ihnen dann gegebenenfalls nach andere Einrichtungen gesucht, die viel besser zu ihrem Bild vom Kind und von Erziehung passten. Solange es sich nicht um extreme Erziehungshaltungen (Stichwort Schwarze Pädagogik) handelt, halte ich es auch heute noch für richtig, dass Eltern sich in ihrem Umgang mit dem Kind nicht in etwas hineindrängen lassen, das konträr zu ihren eigenen inneren Haltungen steht.

Authentizität gegenüber dem Kind erscheint mir als Vorbild und zum Wohle des Kindes allemal besser als ein ständig sich widersprechendes Hin und Her. Denn dieses nicht Verlässliche verunsichert ein Kind auf der Beziehungsebene dermaßen, dass es keine Chance hat mit sich selbst ins Reine zu kommen und im Laufe seiner Entwicklung in der Regel eine Reihe von auffälligen Symptomen entwickeln wird.

Meine Erfahrung ist auch, dass später in der Pubertät die notwendige Ichfindung und -stabilisierung durch Abgrenzung von den Eltern, viel grundlegender und „gesünder“ stattfinden kann, wenn das vorherige Erziehungsmodell als authentisch und ehrlich empfunden wurde.

Nichtsdestotrotz gebe ich mir natürlich alle Mühe, Menschen und werdende Eltern davon zu überzeugen, dass die zweite Sichtweise/Haltung in meiner Wahrnehmung natürlich die bessere für alle Beteiligten sei.