Keine Windeln mehr?

"Wenn Kindergärten fordern, dass die Kinder keine Windeln mehr brauchen, ist das unanständig, sagen Verhaltensbiologen."

Ja, das sehe ich auch so.

Noch unanständiger wird es, wenn es Einrichtungen sind, die dann im Konzept drin stehen haben, dass sie nach Emmi Pikler arbeiten *andenkoppklatsch

Unsere KleinMadame, die ja eben drei geworden ist, kann seit dem Sommer ansagen, ob sie Pippi machen muss, oder nicht. War ein feiner Spaß draußen, so ohne Windeln. Gab es viel für sie zu fühlen, zu gucken, auszuprobieren. Wir glauben ja, sie hat es sich von Pauli, unserem Hund, abgeguckt. Es gab so eine Markierungsphase bei ihr. Im Haus geht sie aufs Töpfchen (stehen mehrere rum) und manchmal auch auf die Toilette. Sie kann es also. Tagsüber. In der Nacht geht noch gar nichts. Und ob sie es tagsüber will, das entscheidet sie auch selbst. So verlangt sie manchmal immer noch Windeln. Anscheinend geben die ihr auch ab und an ein Gefühl von Sicherheit oder befürsorgt zu werden. Und manchmal will sie halt keine. Erziehung? Kam in dem ganzen Prozess bisher nicht vor. Sie schaut uns zu, schaut anderen Kindern zu. Wir haben uns bisher darüber noch gar keinen Kopf gemacht. Erledigt sich von selbst, wenn man das Kind einfach sein eigenes Tempo lässt.  

Sichere Bindung und Loslassen

Gestern hat KleinMadame (3J) zum ersten Mal ihre Mutter einfach weggeschickt. Sie waren bei ihrem kleinen Freund zu Besuch und Mutter wollte noch einkaufen gehen. KleinMadame ließ sie einfach gehen und antwortete auf die Frage, ob sie nicht mitgehen wolle, nur mit einem "Geh. Ich spiel hier noch!" Für die Mutter eine ganz neue Erfahrung :-)

Für mich ein Zeichen dafür, dass die Bindung zwischen den beiden stimmt. Da ist so viel Vertrauen, so dass man als kleines Kind immer weitere, unabhängige Kreise ziehen kann.

Bindung und Loslassen gehören untrennbar zusammen. Wenn die Bindung stimmt, dann wird selbstbestimmtes Loslassen für das Kind ein selbstverständlicher Teil seiner eigenständigen Entwicklung. Das wichtige Wort hier ist: Selbstbestimmt.

Für die Bezugspersonen bleibt Loslassen ein eigenes Thema und benötigt einen anderen  Beitrag. Stichwörter wären: Schützen und ermutigen, eigene Verlassensängste, das eigene Leben nicht aus den Augen verlieren, und einige mehr. 

Kind und Hund

KleinMadame und Pauli (nichthaarende Pudelmischung aus Spanien) kennen sich seit ihrer Geburt. Eigentlich sogar schon davor, denn Pauli kuschelte schon, wenn möglich, wärmend und schützend auf der Mutter Bauch.

Am Anfang lag Pauli meistens wachsam vor sich hindämmernd neben dem schlafenden Säugling. Im Krabbelalter hatten wir eine Hundezone und eine Babyzone eingerichtet, damit der kleine Hund auch ab und an zur Ruhe kam. Sobald sie mit Laufen anfing, rannte sie hinter ihm her und das Gerangel um die jeweilige Dominanz nahm manchmal von Seiten von KleinMadame doch sehr herrische Züge an. Wenn es ihm zu viel wurde, zwickte Pauli zurück und sie lernte sein vorab Knurren richtig zu deuten.

Hunde müssen spazieren gehen und so kam und kommt die Kleine täglich bei Wind und Wetter an die frische Luft. Leinenführung will geübt sein und es brauchte eine Weile bis Pauli auch bei ihr nicht mehr wie wild zog.

Mittlerweile ist KleinMadame drei Jahre alt und Pauli ist ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens. Muss er zum Scheren, dann wird bitterlich geweint, darf er mal nicht hoch in ihre Wohnung, fließen die Tränen. Pauli selbst hat Phasen, da frisst er nur, wenn sie anwesend ist bzw. wenn sie ihn direkt füttert. Ein feines Spiel für beide. Und gekuschelt wird ganz viel. Manchmal schlafen beide gemeinsam unter meinem Schreibtisch.

Pauli hat immer noch seine Ruhezonen, allerdings nun ohne Absperrung. Dies zu akzeptieren war ein wichtiger Lernprozess für beide.

Nachdem wir nun drei Jahre die Interaktionen zwischen ihnen beobachtet und begleitet haben, dürfen sie auch immer öfters ohne unsere Aufsicht gemeinsam durchs Haus toben und im Kinderzimmer spielen. Beide haben gelernt, die Sprache des anderen angemessen zu deuten und mit den jeweiligen Grenzsetzungen umzugehen.

Ob das für alle Hunde und kleine Kinder gilt, kann ich nicht sagen. Kommt wohl auf die Beteiligten und das Umfeld an.

Mit unserem Kater hat das übrigens nicht geklappt. Denn würden wir mit KleinMadame immer noch nicht alleine lassen. Er akzeptiert niemanden über oder neben sich. Doch auch da kenne ich in meinem Umfeld andere Beispiele aus dem Zusammenleben von Kleinkind und Katzen.

Unterm Strich: KleinMadame und Pauli tun sich gut. Eine eindeutige Win-Win-Situation für beide. 


Gewalt gegen Kinder ist Alltag

"Ist das heute in unserem Land immer noch so? Immerhin heißt es im § 1631, 2 des BGB: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Da dürfte sich doch einiges geändert haben, Frau Müller."

"Körperliche Gewalt in der Erziehung gibt es immer noch und wenn man den Gewaltbegriff, wie im BGB, erweitert auf psychische Gewalt, denke ich, dass sich da grundsätzlich nicht viel geändert hat. Wenn ich mich in meinem dörflichen Umfeld hier umschaue, dann sind solche sogenannten Erziehungsmaßnahmen immer noch nicht ausgerottet. Die seltsame "stille Ecke" zum Beispiel scheint sehr beliebt zu sein. Und der kleine Klaps ist nicht tot zu kriegen. Erniedrigung, Demütigung finde ich zuhauf, wenn ich mit meiner Enkelin in Spielgruppen oder auf Spielplätzen unterwegs bin. Geändert hat sich jedoch, zumindest meinem Eindruck nach, dass man es heute direkter ansprechen kann, ohne gleich von allen Anwesenden in Grund und Boden geschrien zu werden. Es scheint insgesamt ein ausgesprochen langsamer Prozess der Veränderung zu sein, der immer wieder, auch und gerade in diesen Zeiten, heftige Rückschritte enthält."