Wild, kreativ, chaotisch - na und?!

Beim Lesen dieses Artikels schoss mir spontan der Gedanke durch den Kopf:

Druck erzeugt immer Gegendruck.  

Und dann natürlich dieses Zitat:

„Es ist kein Zeichen von Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.“ (Jiddu Krishnamurti)

Was bedeutet dies im Umgang mit Kindern, die wild, unbändig kreativ und chaotisch sind? Da gibt es meiner Erfahrung nach kein allgemein gültiges Rezept. Zuerst einmal sollte man klären, was man selbst unter diesen Wertungen versteht. Ist mein Kind wirklich ein „wildes“ Kind oder ist es einfach nur für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen unbequem, obwohl es sich für mich doch schlichtweg kind- und altersgerecht verhält? Übernehme ich unreflektiert Urteile und Wertungen von außen? Wie sehe ich mein Kind? Kann ich es so sein lassen, wie es ist?

In der Kindergruppe versuche ich eng am Geschehen zu sein und zu verbalisieren, was der/die Kleine noch gar nicht in Sprache fassen kann. Greif den unkontrollierbaren Affekt und den Kontext auf und gieße sie in Worte, die nicht werten.
Anstatt ein sinnentleertes „Es wird nicht geschubst!“ oder gar Bestrafung, die niemals zielführend ist, lieber ein: „Ja, du bist so richtig wütend gerade, weil der XY dir einfach die Schippe weggenommen hat. Das verstehe ich. Ich wäre da auch wütend. Was könntest du denn jetzt machen, damit ihr beide was von der Schippe habt?“ Ja, das klingt sehr erwachsen und ein Kind mit drei wird da nicht voll anspringen drauf. Zumindest nicht sofort. Aber, wenn es das öfters hört, oder noch besser, wenn ich meine Gefühle vor ihm immer wieder benenne und es erlebt, dass ich auch wütend, enttäuscht, genervt sein kann und dann nach Lösungen suche, die nicht gewalttätig sind, dann hat es die Chance zu verstehen, dass man diese Gefühle sehr wohl haben darf und dass es mehr als einen Lösungsweg gibt. Geduld und Vorbild. Benennen und nicht werten. Lösungswege vorleben. Dies setzt allerdings in einer Kindergruppe ausreichend Personal und ein gut trainiertes und Hand in Hand arbeitendes Team voraus. Beobachten, begleiten, immer wissend, um was es gerade eigentlich geht. Prozesse in den Interaktionsverläufen der Kinder überblicken. Wenige, klare, einfache und nachvollziehbare Regeln des Zusammenlebens.

Im Privaten würde ich Spielplatzsituationen umgehen, da meine Loyalität immer den Kindern gehört und ich den Stress und den Kampf mit unbelehrbaren Erwachsenen auf Dauer nicht aushalten würde. Ich spreche aus Erfahrung, denn zumindest mein Sohn war ein „wildes“ Kind. Unbändig selbstbewusst, ständig in Bewegung und für lange Zeit der einzige Mittelpunkt seiner Welt. Ja, auch in meiner Wahrnehmung. Wir hatten das Glück, dass wir in einem sozialen Umfeld lebten, in dem ähnliche „Erziehungs“konzepte vorherrschten. Alternativen zu den öffentlichen Spielplätzen suchen, bedeutete dann: Anstatt gängiger Spielplatz, den Hinterhof kinderfreundlich gestalten und immer viele Besuchskinder. Und dann natürlich der Abenteuerspielplatz. Sport und Bewegung in passenden Vereinen. Zeichenkurse waren auch angesagt. Haustiere, viel Lego und, und, und … Alternativen halt, die den Bedürfnissen dieses einzigartigen Kindes entsprachen.

Zeit, Geduld, bedingungslose Aufmerksamkeit und Liebe.

Noch kurz eine Bemerkung zu dem „innerlich einsam sein“ (in dem Artikel) wegen den Abwertungen durch das soziale Umfeld. Nöh, ich wäre da nicht einsam, denn ich, als Erwachsene, würde mir ein Umfeld schaffen, in dem es Menschen gibt, die meinen Blick auf Kinder und auch auf mein Kind teilen würden. Und den Kindergarten würde ich ratzfatz wechseln.