Aus einem Chat mit einer besorgten Mutter.
Mutter: Was würdest du tun, wenn deine Kinder
wiederholt die Wand ruinieren? Eine Woche komplettes Medienverbot beim letzten
Mal war anscheinend nicht lehrreich genug.
Meine Antwort: Druck
erzeugt Gegendruck. Was haben die Medien mit der bekritzelten Wand zu tun? Oder
das Spielzeug? Habe ich als Kind nicht verstanden und als Erwachsene auch
nicht. Wand bemalen macht Spaß. Noch mehr Spaß vielleicht, wenn ich so tolle
irre Reaktionen von meinen Erwachsenen damit hervorrufen kann.
Was tun? Gib die Wände im Kinderzimmer frei, ist ja
ihr/sein/ihr Zimmer. Und setze die/deine Grenze in den Räumen, die du/ihr
gemeinsam benutzt. Verstehen die Kinder in der Regel sehr gut: Du gehst ja auch
nicht hin und malst lustig in ihrem Zimmer drauf los (Hoffe ich zumindest).
Die Gestaltung der eigenen vier Wände ist reine
Geschmackssache. Du magst sie so und die Kinder mögen sie halt anders. Da man
gemeinsam wohnt, gestaltet man die eigenen Räume eben wie man will und die
gemeinsamen Räume gestalten diejenigen, die überwiegend drin wohnen, kochen,
arbeiten.
Nach den längeren Kämpfen bisher wird vielleicht der
Übergang zu dieser neuen Regelung nicht ganz ohne Rückfälle auskommen. Ich habe
in solchen Fällen gar nicht rum gemeckert, nur ruhig auf die Regel hingewiesen
und dann kreativ die neuen Kritzeleien nach meinem Geschmack übermalt oder was
drüber gehängt. Nach einiger Zeit waren die Kinderzimmer bunt und die anderen
Räume blieben so, wie ich es wollte.
Wenn die Kinder etwas älter sind, wollen sie ihre Zimmer
dann eh anders gestalten und bitten vielleicht um Mithilfe.
Mit diesen ganzen allgemeinen Verboten und mit den Wenn du
nicht - Dann Formeln lernt das Kind vor allem eins: Du bist stärker, größer,
machtvoller und kannst deinen Willen durchsetzen. Das weiß es aber eh schon. Es
ist ja nicht blöd. Was bringt das also? Räumt es dann auf, weil es ein eigenes
Ordnungssystem gefunden hat und sich in einem so strukturierten Raum wohler
fühlt? Bestimmt nicht. Es wird vielleicht irgendwann erschöpft und verängstigt
sich ergeben und aufräumen, weil du stärker bist und es in anderen Bereich so
abhängig von dir ist. Du kannst ihm nämlich nicht nur das Spielzeug wegnehmen,
sondern auch deine Fürsorge und deine Liebe. Und das weiß es sehr genau, auf
eine sehr kindliche, verworrene Art. Wie soll ein kleiner Mensch, der ja nicht
so viel Lebenserfahrung hat wie du, rational und vernünftig mit so einer
Bedrohung umgehen können? Kann er nicht. Also reagiert der kleine Mensch
unvernünftig, irrational. Bis er sich innerlich ergibt.
Für das "Viel zu viel Haben" sind ja nun nicht die
Kinder verantwortlich, oder? Das haben die Erwachsenen schlecht hin bekommen,
oder? Und es ihnen dann einfach wieder wegzunehmen, würde man, wenn es keine
Kinder wären, wohl Diebstahl nennen. Es ihnen zu schenken, oder schenken zu
lassen, und es dann als Mittel zur Bestrafung wieder zu nehmen, erscheint mir
zumindest verdammt unfair. Würdest du dir das denn als Erwachsene von einem
anderen Erwachsenen gefallen lassen, oder fändest du das okay? Eben.
Unabhängig von diesen Gedanken sind kleine Kinder natürlich
mit der Menge von Dingen völlig überfordert. Jetzt ist das Zeugs aber da. Was
machen? Da hilft nur Geduld und Spucke.
Mit den Kindern, wenn gerade gut Stimmung ist, hinsetzen und gemeinsam
aussortieren. Jedes Teil in die Hand nehmen und besprechen, ob das denn gerade
wichtig ist, oder nicht. Kaputte Sachen kommen in den Müllsack. Dann die
ausgesuchten, nicht kaputten Sachen in eine Kiste packen und diese in den
Keller, Dachboden, etc. stellen, mit dem Hinweis, dass das Kind jederzeit ein
Teil daraus gegen eines im Kinderzimmer austauschen kann. Wenn man das mehrmals
gemacht hat, dann wird es mit der Zeit schon leerer im Zimmer. Wenn neue Sachen
vom Kind gewünscht werden, geht es genauso: Ein neues Spielzeug nur gegen ein
altes, nicht so oft benutztes.
Mutter: Ich habe auch nicht verstanden, wie du sie
zum Aufräumen bewegen würdest? Es kann ja nicht alles ewig da liegenbleiben -
irgendwann muss man da ja mal lang saugen und wenn man Pech hat entdeckt man
vor sich hin schimmelnde Lebensmittel inmitten der Unordnung... ohne Zwang und
Drohung rühren die keinen Finger. Sie reagieren ja auch nicht auf Erklärungen,
warum das Aufräumen nötig ist.
Meine Antwort: Die
Aufräumerei. Ein ewiges Thema. Kleine Kinder haben davon entweder gar keine,
oder eine völlig andere Vorstellung als die Erwachsenen. (Sogar Erwachsene
haben hier unterschiedliche Vorstellungen) Woher sollten sie die auch haben?
Kinder lernen durch Vorbild. Also bezieht man sie von klein auf in die
Aufräumerei in der ganzen Wohnung mit ein. Das macht ihnen Spaß, wenn es nicht
nur aufs Kinderzimmer bezogen ist. Natürlich sind sie keine Putzhilfen, aber
schon eine Zweijährige fühlt sich groß und ernst genommen, wenn sie mit einem
nassen Lappen in der Küche oder dem Bad mitwischen darf. Das Kinderzimmer ist
dann einfach nur ein Teil davon. Der Erwachsene räumt es auf, wenn das Kind
will, macht es mit, und es will öfters, wenn daraus kein Stress gemacht wird,
sondern ein gemeinsames Tun.
Natürlich will das Kind auch manchmal nicht, denn es
passiert ja nach der dem Zeitverständnis des Erwachsenen, vielleicht hat es
aber gerade keine Lust oder ist mit anderen Dingen beschäftigt. Dann räumt und
putzt der Erwachsene und glaubt mir, das Kind lernt dabei trotzdem, weil es
nämlich sieht, wie locker und leicht Aufräumen geht und wie angenehm es ist, in
einem aufgeräumten Zimmer zu spielen. Ordnung und Aufräumen sollte niemals ein
Kampffeld werden, dabei verlieren alle. Warum sich drei, vier Stunden rumstreiten,
oder gar einen ganzen Tag oder Tage, für etwas, was in einer halben Stunde von dir
erledigt werden kann? Das Kind immer wieder auffordern mitzumachen, es
zuschauen lassen - es lernt es schon. Ist einfach so. Du könntest ihm
vertrauen.
Wenn es größer ist, also so um den Schulbeginn, dann kann
man erste Vereinbarungen treffen. Hilfreich war immer: Chaos in deinem Zimmer
ist okay, in den Räumen, die wir gemeinsam benutzen nicht. Oft hilft allen
Beteiligten, dass man gemeinsam einen Tag in der Woche festlegt, an dem alle
Zimmer so aufgeräumt sein müssen, damit gestaubsaugt/gewischt werden kann. Das
entspannt das Zusammenleben zumindest für sechs Tage.
Meine Erfahrung mit der Aufräumerei: War immer Thema, ist
Thema und wird eines bleiben. Das einzige, was man tun kann, ist, da so wenig
Energie wie möglich rein zu stecken. Eine Patentlösung zum Überstülpen gibt es
nicht. Aber es ist auch eines der Themen, in die man schlichtweg aufhören
sollte, auch wenn es so schrecklich beliebt ist, Erziehungsmaßnahmen
reinzustecken. Sonst wird es ein einziges Schlachtfeld mit Verwundeten auf
beiden Seiten und aufgeräumt ist dann immer noch nicht. Meistens ist es einfach
besser und gesünder, schnell mal selbst Hand anzulegen und die dadurch
gewonnene Zeit gemeinsam mit Sinnvollerem zu verbringen.
*Anmerkung
Ein großer Irrtum der Pädagogen war schon immer, dass sie
meinten, ihre Erziehungsmaßnahmen, begonnen schon beim kleinsten Kind, würden
wirklich etwas bringen, weil irgendwann später das Kind ja das gewünschte
Verhalten drauf hatte. Übersehen haben sie dabei, dass das ganze pädagogische
Gehabe in jüngsten Jahren nicht die Ursache für ein erwachseneres Verhalten
beim Kinde war, sondern schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass das Kind
jetzt eben tatsächlich älter geworden und erst jetzt in der Lage war, das, was
sie da immer rum gebabbelt oder gar geschrien hatten, geistig zu verstehen und
zu verarbeiten. Übersehen haben sie jedoch auch, dass der Schaden, den sie in
der kindlichen Seele angerichtet hatten, viel, viel größer war, als der von
ihnen damals gewünschte Lerneffekt und so manches „gute“ Verhalten des größeren
Kindes eher gebaut war auf einem zertrümmerten Inneren, auf Angst und Furcht,
denn auf Einsicht und Wissen.