Selbstregulierung
Kindergarten: Kleiner Junge (4 Jahre) weint und schreit,
weil Mama geht. Er signalisiert ganz klar, dass er nicht getröstet oder gar
angefasst werden will. Also setzte ich mich neben ihn, in einem Abstand, den er
aushält und lasse ihn schreien. Ich gebe seinem Zorn leise Worte und bestätige
ihm, dass er alles Recht der Welt hat zornig zu sein. Zwischendrin summe ich
eine Melodie vor mich hin, womit ich ihm signalisieren möchte, dass ich ganz
unaufgeregt und gelassen bin. Alles gut. Er schreit immer noch. Nach acht
Minuten lässt er es zu, dass meine Hand die seine streichelt. Er schreit nicht
mehr, sein Atmen beruhigt sich. Nach 11 Minuten rutscht er auf meinen Schoss und
erlaubt mir, ihn mit den Armen zu umfangen. Nach einigen Minuten setzt er sich
auf und beobachtet die anderen Kinder und in der sechszehnten Minute steht er
auf und spielt mit seinen Freunden.
Also ich finde, dass er für sein Alter schon verdammt
schnell mit der eigenständigen Selbstregulierung war.
Prävention?
Macht Kinder stark und selbstbewusst!
Baut ihnen ein Fundament aus Liebe, Fürsorge, Vertrauen.
Seid ihnen Vorbild und lebt mit ihnen in einer offenen und ehrlichen Beziehung.
Alles andere ist Kokolores.
Sicher bin ich nicht mit allem einverstanden, was er so im
Laufe seiner Arbeiten gesagt und geschrieben hat. Wäre ja auch komisch.
Unbesehen jedoch: Ein Wegbereiter war er, aber sowas von.
Dieser eine Satz, dieser Satz von ihm fasst so wunderbar
klar all meine jahrelangen Erfahrungen mit Kindern, Eltern, Theorien rauf und
runter zusammen. Denn ja, unterm Strich ging und geht es letztendlich immer nur
darum und um nichts anderes ->
Demütigung ist Gewalt!
Das Warten, immer dieses Warten. Es war das Schlimmste.
Meistens wusste sie dann schon gar nicht mehr, wofür die Schläge eigentlich
gedacht sein würden. Das Warten. Schlimmer als jeder körperliche Schmerz. Das
Warten. Eingebrannt in ihre Seele. Ticktack, ticktack. Mit jeder Minute
zerfloss das Warum. Es blieb nur das Warten. Diese anschäumende Verzweiflung.
Diese Gewissheit, dass die Schläge kommen werden. Irgendwann. Ohne Warum. Warten.
Ausgeliefert. Andere Tätigkeiten erschienen wichtiger als ihre Bestrafung.
Wichtiger als ihr Vergehen. Wichtiger als sie. Warten. Immer kleiner wurde sie.
Sie war so unbedeutend. So nichtig. Warten. Fast dankbar ergab sie sich dann in
den Schmerz des Stockes. Er setzte einen Schlusspunkt. Das Warten verblasste.
Nach vielen, vielen Jahren erst bemerkte sie die
Untermieterin. Eine alte Bekannte war wohl nie bei ihr ausgezogen. Die Warterei
trinkt heut noch ab und an Käffchen mit ihr. Sie kommt immer zu früh. Und die
anderen zu spät. Sie wartet. Ob man sie vergessen hat? Ob sie es missverstanden
hat? Tauchend nach ihrer Schuld bleiben ihre Hände immer noch leer. Sie wartet.
Schmerzhaft. Sucht in sich nach ihrem erwachsenen Zorn. Manchmal plätschert er
blinzelnd nach oben. Verläuft sich aber in fröhliche Dankbarkeit, wenn das
Warten ein Ende hat.
(im Alter bis 7 Jahre, denn danach gab es die
Schlägerin nicht mehr)
Kinderschutz im sozialen Umfeld
Kindergarten, Schule, Kirche,
Feuerwehr, Pfadfinder, Sport, Jugendeinrichtungen, Freizeiten, Ärzte, Nachbar...
Überall Übergriffe, Missbrauch, Gewalt gegen Kinder. Wo kann man sein Kind
eigentlich noch beruhigt und ungefährdet hingeben?
Keine Garantie für gar nichts.
Was hilft?
Das:
Macht Kinder stark und
selbstbewusst. Lehrt sie laut und deutlich "Nein" sagen.
Arbeitet von Anfang an an einer
stabilen Beziehung! zum Kind.
Absolutes gegenseitiges
Vertrauen.
Über alles kann und darf
gesprochen werden.
Lehrt sie: Dein Körper gehört
dir. Nur du bestimmst über ihn. Niemand fasst ihn an, niemand außer dir verfügt
über ihn.
Notsignale ausmachen. (Notfallnummer,
Handzeichen, etc.) Sichere "Häfen" im sozialen Umfeld einrichten. (Da
gehst du hin und rufst mich/uns an, wenn dir etwas unangenehm ist.)
Engagierte Elternarbeit - Aktiv
und kommunikativ zwischen den Eltern und zu/mit den Bezugspersonen. Man gibt
sein Kind nicht einfach nur ab!
Immer! aktive Partei ergreifen
für das Kind, egal wo, egal gegen wen, wenn jemand in Ton oder Haltung sich
vergreift. Keine Scheu vor Konflikten.
Vertraue auf das eigene
Bauchgefühl. Wenn es in dir grummelt, dann stimmt was nicht. Lieber mehrmals
irren, als einmal nicht agieren.
*Anmerkung
Ich habe es übrigens noch nie verstanden, wie man Kinder in
außerfamiliären Einrichtungen jedweder Art einfach nur abgeben können kann.
Eltern sein im sozialen Umfeld meiner Kinder war für mich immer richtige aktive
Arbeit. Sich einbringen, reden, austauschen, organisieren, soziales Netz
knüpfen. Zum Schutz der Kinder und zur Beruhigung der eigenen Ängste. Und
natürlich auch, weil es Spaß macht.
Mut? Verdrängung!
„Warum haben so wenige Menschen den Mut sich aktiv für
Kinderrechte und das Kindeswohl einzusetzen?“
„Mut? Ich denke nicht, dass es hier um Mut geht. Der
Begriff, der mir spontan durch den Kopf geht: Verdrängung. Das Thema drängt ja
jeden Einzelnen, der/die sich damit beschäftigt, dazu, sich mit der eigenen
Biografie, inneren Haltungen, den eigenen Narben, mit dem Menschenbild, dem
eigenen Bild von Kindern, dem Eltern sein und ja, auch mit der eigenen Schuld
und Scham auseinanderzusetzen. Man
drängt es weg, weil es einem auf zu vielen Ebenen zu nahe kommt. Wenn man
sich auf das Thema einlässt, dann kann man nicht mehr zurück und viele wohlige
Glaubenssätze, innere Bilder und die eigene Psyche stützende Annahmen, etc. brechen
weg. Und dann wird man ja auch irgendwann vor der ganz konkreten Frage stehen,
wie man sich jetzt, in diesem Moment, in dieser realen Situation verhält. Ganz
schön unbequem alles. Als Bereicherung empfinden dies die wenigsten. Wenn man
sich mit der Not von Kindern beschäftigt und sich drauf einlässt, wohin das
einen führt, dann ist das so, als würde man den Stöpsel aus einem riesigen
Staudamm ziehen. Sprengkraft hoch zehn. Im Innen und Außen. Darum kommt es der
Gesellschaft insgesamt nicht ungelegen, dass so viele lieber schweigen,
wegsehen, tabuisieren und verdrängen.
Was hilft? Schritt für Schritt. Laut, kreativ, ansteckend
und beharrlich Dinge ansprechen, aufzeigen, aufschreien. Wieder und wieder.“
Strafstuhl
„Wir gehen heute Abend zum Italiener!“
„Also ich nicht, ich bin müde und geh schlafen.“
„Wenn ich sage, wir gehen, dann gehen wir!“
„Soll ich es buchstabieren? I c h g e h e n i c h t!“
„Also, in dem Ton sprichst du nicht mit mir. Du nimmst dir
jetzt einen Stuhl und setzt dich damit in die Ecke, Kopf zur Wand und bleibst
da so lange sitzen, bis du dich wieder beruhigt hast. Dann darfst du später auch
mit zum Italiener.“
Würde jemand so mit seiner Partnerin, seinem Partner, seiner
Freundin, seinem Freund und reden und ihn so behandeln? Nein, sicher nicht. Und
wenn, dann würde sie/er es sich bestimmt nicht gefallen lassen. Also warum denkt
so manch ein Mensch, man könnte dies mit einem Kind machen und es hätte auch
noch eine positive Wirkung?
*Anmerkung
Strafstuhl / Stiller Stuhl /Stille Treppe sind Zuchtmittel
der Schwarzen Pädagogik und stammen aus dem Folter Arsenal früherer Irrenanstalten,
Arbeits- und Zuchthäusern.
Kinderlogik
„Oma, hast du mich lieb?“
„Ja, natürlich!"
„Das weiß ich doch.“
„Du hast gefragt.“
„Ja, weil die Antwort so schön im Bauch bitzelt.“
Gewalt und ihre Folgen
Das Kind gewalttätiger Eltern wird als Kind nicht aufhören
seine Eltern zu lieben. Aber, es wird aufhören sich selbst lieb zu haben.
Voller Misstrauen und Angst verliert es seinen inneren
Kompass,
erstickt an den für ihn nicht händelbaren emotionalen Widersprüchen.
Erwachsenen geworden, taumelt es durch eine ihm
unverständlich unzugängliche Welt, verstrickt sich in einen irrationalen Strudel
aus Schuld, Sühne und Vergebung.
Ständig auf der Suche nach einem Selbst, das ihm doch in
einer Zeit abhanden kam, der es sich nur in Schrecken nähern kann.
Jeder Schritt ein Minenfeld. Damals und heute.
Anspruch
Ich weiß nicht, und ich kann nicht wissen,
wie mir unbekannte Eltern unter unbekannten Bedingungen
ein mir unbekanntes Kind erziehen können.
Janusz Korczak
Deshalb ist der im pädagogischen Diskurs oftmals erhobene Anspruch,
ein für alle Mal und allgemein gültig zu wissen, dass, ob und wie „Erziehung“ zu
funktionieren habe, schlichtweg immer ein anmaßender.
Training
„Eltern sind die Knochen, an denen Kinder ihre Zähne wetzen.“
Peter Ustinov
Kennen wir nicht alle dieses Phänomen, dass zu Hause die
Kinder manchmal richtige Zornbündel sind, uns ihre Gefühlswallungen von 0 auf
100 und zurück in einem Affentempo überrollen, wir um jeden Mist rumdiskutieren
müssen, uns dagegen von außen, zum Beispiel nach dem Besuch bei Freunden, von
diesen mitgeteilt wird, dass unsere Kinder ja so toll vorbildlich in ihrem Sozialverhalten
seien? Des Rätsels Lösung: Natürlich wird das gesamte Spektrum von
Gefühlsäußerungen an dem Ort trainiert, ausprobiert und durchgeschmeckt, an dem
man sich sicher, geborgen und bedingungslos geliebt fühlt. Völlig normal und unterm
Strich ein riesengroßes Kompliment. Vertrauen und Gelassenheit sind hier die
Zutaten, die benötigt werden.
Die "gute" Mutter
„Für das Wohl ihrer
Kinder sollte eine gute Mutter halt das bisschen Leiden durch ihren
Arschlochmann in Kauf nehmen. Sind doch nur ein paar Jahre bis die Kinder groß
sind.“
Mit so einer Haltung der Mehrheit in der Gesellschaft bin ich aufgewachsen und dachte, sie sei mittlerweile längst Geschichte. Und da sitze ich vor einigen Tagen in einer
Gesprächsrunde mit vorgeblich klugen Menschen und höre genau dieses dämliche
Geblubber wieder. Da kann man doch nur heulen.
Noch viel erschreckender ist jedoch, dass anscheinend
wirklich noch immer so viele Männer und Frauen diesen Glaubenssatz, dass die
Frau/Mutter Demütigungen, Verletzungen und Erniedrigungen durch ihren
Beziehungspartner hinzunehmen habe, weil es das Beste für die Kinder sei, sich
nicht voneinander zu trennen, mit sich herum tragen.
Nein!, es ist nicht das Beste für ein Kind in solch einer
Beziehung aufzuwachsen. In so einer "Familie" gibt es keinen Schutz,
keine Sicherheit, keine Verlässlichkeit, keinen Raum für Liebe und
gegenseitigen Respekt, keine positiven Identifikationsfiguren und Vorbilder. Im
Netz einer solchen Konstellation gefangen, lernen sie vor allem eines: Gewalt,
Lügen, Leiden, Ertragen, Schweigen, Dulden seien akzeptierte Zutaten einer normalen
Partnerschaft. Das ist prägend und hat verheerende Auswirkungen auf ihr ganzes zukünftiges
Leben.
Mich gruselt es.
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