Ich würde aus „Ich-stille-mein-Baby-im-öffentlichen-Raum“
keine Ideologie machen. Ich würde es mir aber auch nicht verbieten lassen, weil
ein Verbot irgendwie beinhaltet, ich würde unangemessen und unflexibel damit
umgehen. Meine Erfahrung von Angemessenheit: Manchmal wäre Warten lassen einfach
unangemessen. Manchmal brauchen wir einen stillen, äußerst geschützten Ort. Manchmal
macht Trubel guten Hunger. Manchmal kann ich nicht alleine sein, weil ich sonst
zu unruhig bin. Manchmal, manchmal … Wegweiser
ist eigentlich für Angemessenheit immer „Wie geht es meinem Kind und was
braucht es gerade, damit es ihm jetzt gut geht?“ Diese Flexibilität und Verantwortung
würde ich mir durch ein Verbot nicht nehmen lassen. Ich kann selbst denken.
„Man schlägt nicht!“
„Nun, es gibt Situationen
im Leben, da wäre es schon recht sinnvoll, zum Schutz für Leib und Seele, schnell
und kompetent zuschlagen zu können.“
„Mit Gewalt lässt
sich kein Konflikt befriedigend lösen.“
Die menschliche Handlungspalette ist riesig und umfasst unzählige
Optionen. Dazu gehören auch recht aggressive Handlungsweisen. Nichts davon ist an
sich erstmal besser oder schlechter, weil es immer auf den jeweiligen Kontext
ankommt.
Lernziel beim Kinde wäre die Erkenntnis: In jeder Situation
habe ich die Wahl zwischen mehrere Handlungsmöglichkeiten.
Um damit flexibel und verantwortlich umgehen zu können, muss
man diese Handlungsoptionen und ihre jeweiligen Konsequenzen ausprobieren
dürfen. Muss den Vor- und Nachteilen nachspüren können. Muss erleben, wie sich
das jeweilige Ergebnis anfühlt. Da helfen keine bloßen Erklärungen, das muss
man erfahren dürfen.
Wo wäre dies besser möglich als in dem durch achtsame Erwachsene
geschützten Rahmen des kindlichen Miteinanders?
Beispiel: Streiten sich zwei Kleine um einen Bagger.
Kreischen, zerren, hauen sich drum. Der Bagger liegt währenddessen unbenutzt
nebendran. Hinzugehen und zu sagen: „Hört auf euch zu streiten, zu hauen! Das macht
man nicht! Das gibt es hier bei uns nicht!“ ist eine nette Herangehensweise.
Irgendwann hört aber keiner mehr zu, da es irgendwie nicht so richtig zu einem
Ergebnis führt. Zumal dieser von außen und von oben nach unten durchgeführte Eingriff
auch schon wieder eine leichte gewalttätige Tendenz hat und kein gutes Beispiel
dafür ist, wie man mit Konflikten umgehen könnte.
Sinnvoller wäre es doch, die Situation ganz ruhig und beiden
zugewandt zu benennen: „Ihr wollt beide mit dem Bagger spielen. Jetzt streitet
ihr euch. Keiner spielt jetzt mit dem Bagger.“
Durch die Frage: „Wie könntet ihr das denn lösen, so dass
ihr beide was davon habt?“ kann man dann den Weg frei geben für den Gedanken, dass
es überhaupt auch noch andere Lösungen geben könnte. Die wird man vielleicht nicht
gleich finden, wird manches ausprobieren, was sich auch nicht richtig gut
anfühlt, aber, indem man immer wieder in diesem Muster daran arbeitet, bekommt
man Übung und ein Gespür dafür, was wann wie passen könnte. Kinder sind da
unheimlich kreativ und lösungsorientiert.
Provokation
Ihr hüllt eure Kinder in Wattebäuschen, entschärft
Märchen bis zur Unkenntlichkeit, schleift den Vampiren die Zähne und erklärt
Eisbären zu Kuscheltieren, die dann auch noch süße, kleine Pinguine zu
Spielkameraden haben (das geht nicht!). Kinder sollen dies und das und jenes
nicht mitbekommen, schon gar nicht die Realität, denn es könnte ihnen ja
schaden oder sie gar traumatisieren. Ihr müllt sie ein mit euren
Scheinheiligkeiten und monologisiert sie hundert Mal am Tag zu mit all dem „Das
darfst du nicht! Das macht man nicht! Hauen darf man nicht! Streiten darf man
nicht! Und dies und das und jenes sind verboten! Wir haben uns alle lieb und
die Welt ist ein kuscheliges Himmelbett.“
Kinder sind nicht doof. Sie sind nicht blind und taub. Sie
bekommen sehr wohl und sehr früh mit, dass die Welt halt so gerade nicht ist,
gar nicht so sein kann. Denn da gibt es ein Machtgefälle zwischen ihnen und den
Erwachsenen, und zwischen dem Erwachsenen hier und dem dort auch, das sie zwar täglich
spüren, aber nicht zu benennen und einzuordnen lernen. Die Welt kann sehr wohl hart,
ungerecht, wahnsinnig, kalt, erschütternd und tödlich sein. Auch in der Familie
oder im familiären/sozialen Umfeld. Doch sie lernen, dass sie darüber nicht
reden dürfen. Und schon gar nicht dürfen sie wütend, stinkig, traurig, zornig, streitend,
neugierig, verwirrt, verzweifelt sein. Denn diese Gefühle sind ein großes Bäh, obwohl
sie sie doch immer wieder bei den Erwachsenen selbst wahrnehmen. Und irgendwann
geht es dann nicht mehr ums „Dürfen“, sondern ums „Können“. Doch sie können gar
nicht, weil sie nie durften.
Sie (er)leben von klein auf den totalen Widerspruch. Denn
eure Verbote und Belehrungen sind sehr wohl oft aggressiv und erniedrigend und
ihr setzt sie durch mit eurer Eltern- und Erwachsenengewalt. Warum glaubt ihr
wohl finden junge Jugendliche Ballerspiele und Hardcorefilme so attraktiv? Warum
sind Gewalt und Tod so faszinierend? Warum schlagen und hassen sie noch als
Erwachsene so völlig ins Blaue hinein? Unter anderem auch deswegen, weil sie
einen Teil von dem zeigen, sehen, stellvertretend erleben, in völlig verquaster
Art und Weise ausleben wollen, was sie als kleine Kinder nie zeigen und
spielerisch in einem geschützten Rahmen ausleben, ausprobieren durften. Sie
hatten nie die Chance zu lernen, ihre Gefühle selbst zu regulieren, denn sie
durften diese ja gar nicht haben. Sie haben nicht gelernt, dass es zum Beispiel
zwischen dem um sich Schlagen und dem stillschweigenden Hinnehmen noch so viele
unterschiedliche Facetten des Möglichen gibt, denn sie durften es ja nicht probend
üben. Sie haben nicht gelernt, dass man sich gemeinsam gegen Unrecht und Gewalt
zur Wehr setzen kann, denn im blaurosa Himmelbettchen ihrer überbehüteten
Kindheit brauchte es ja keine Solidarität.
Das ist dir zu platt? Ja. Suchen wir doch gemeinsam nach
Beispielen aus dem echten Leben.
Du fühlst dich durch das „Ihr“ überhaupt nicht
angesprochen. Fein! Dann machst du es ganz anders. Erzähl es uns und lass uns
an deinen Erfahrungen teilhaben.
--------
*Aus einem Gespräch darüber
--------
*Aus einem Gespräch darüber
Es geht ja nicht um Konfrontation oder aufgezwungener
Informationsvermittlung am aktuellen Interesse des Kindes vorbei. Eigentlich
geht es um eine grundsätzliche Haltung im gemeinsamen Leben: Gefühle darf man
haben. Jedes Gefühl. Dazu gehören auch Traurigkeit, Unsicherheit, Zorn,
Verzweiflung, Angst. Es wäre hilfreich, wenn man, auch in Anwesenheit von
Kindern, diese Gefühle, wenn man sie denn hat, konkret zu benennen. Das
ermutigt das Kind und zeigt, dass diese Gefühle keine verbotenen sind. So ein
ganz banales Beispiel: Es gibt so Kinderfilme, da heul ich einfach los, weil
sie etwas in mir antriggern. Also heulte ich und erklärte, warum ich es so
gemein fand, dass Bambis Mutter erschossen, das Biest so verachtet und die
Zwillinge getrennt wurden. Oder ich benannte meine Verzweiflung, wenn ich
wieder mal aufgrund von mangelndem Geld einen Wunsch von ihnen nicht erfüllen
konnte. Ich entschuldigte mich, wenn ich sie anschimpfte und eigentlich sie gar
nicht meinte, sondern den ungerechten Chef auf Arbeit und erklärte meine
Gefühle dabei. Und als sie älter waren, dann konnte ich ihnen auch meine Wut
zeigen, wenn wieder einmal jemand jemanden "Penner" nannte oder
jemand jemanden noch einen Tritt gab, wenn dieser jemand schon am Boden lag
oder mir verbieten, dass man auf mich schießt. Ich konnte diese Gefühl zeigen,
benennen und erklären, dass ich damit konkrete Bilder verband, die ich aus
diesem und jenem Grund nicht gut fand.... .... ... und, und, und .... es gibt
so viele kleine Möglichkeiten im Laufe des Tages Kindern gegenüber Gefühlen
einen Namen zu geben und vorzuleben, dass man diese sehr wohl haben darf.
Erziehungsgedöns
„Frau Müller, Sie haben ja zwei Kinder groß gezogen, haben
jetzt ein Enkelkind im Haus und öfters in Ihrem Leben mit Kleinkindern
gearbeitet. Was waren und sind Ihre pädagogischen Grundsätze?“
„Kinder sind kleine Menschen, denen es an Erfahrungen fehlt.
Beim Machen dieser Erfahrungen begleite ich, viele werden durch mich
ermöglicht. Ich zeige ihnen, wie ich es mache und schau mir an, wie sie es
machen. Davon lernen beide Seiten. Ein wechselseitiger Prozess. Liebe, Respekt,
Achtsamkeit sind die Zutaten von meiner Seite. Trotzdem gibt es ein
Machtgefälle, das zu leugnen, wäre eine Lüge: Ich bin erwachsen, sie sind
Kinder. Das verwische ich nicht, sondern benenne es in den jeweiligen
Situationen konkret. Meint, es gibt Situationen, in denen bestimme ich. Ohne
Wenn und Aber. Dafür gibt es Regeln. Die werden erklärt und gemeinsam immer
wieder überprüft. Es sind nicht viele und sie verändern sich im Laufe der
Entwicklung des Kindes. Beispiel: Überqueren der Straße an der Hand, in meinem
Beisein, alleine. Das Belohnung-Strafe-System als Erziehungsmittel lehne ich
ab. Ich freue mich mit dem Kind, wenn es etwas geschafft hat; ich ermutige es,
es wieder zu versuchen, wenn es noch nicht klappt; ich erkläre Konsequenzen für
Regelbruch (wie gesagt, es gibt eine überschaubare Anzahl von Regeln) und halte
diese konsequent ein. Wenn ich Fehler mache, dann rede ich drüber und
entschuldige mich. Und, und … ach, wir wollen hier doch kein Buch schreiben.
Das Wichtigste ist: Kinder lernen durch Vorbild. Also liegt es an mir und an
meiner Arbeit an und mit mir, was da gelehrt und gelernt wird.“
„Ein Beispiel vielleicht noch über eine Regel, die nicht zu
den pragmatischen gehört wie das ÜberdieStraßegehen?“
„Na ja, wichtig war mir bei meinen Kindern: Wir lügen uns
nicht an. Nicht weil Lügen an sich schlecht sei, sondern, weil es Vertrauen
bricht und die Intelligenz des Gegenübers beleidigt. Zu lernen gilt: Es gibt
nichts, aber auch gar nichts, über das man nicht reden könnte. Hartes Brot,
auch für die Erwachsenen. Wir lügen und schummeln im Laufe des Alltags mehr,
als ich je vermutet hätte. Und da wir Vorbilder sind, heißt das immer wieder
reflektieren, dazu stehen, laut benennen, lernen es anders zu machen.“
„So wie Sie das formulieren, erscheint Erziehung als harte
Arbeit, Frau Müller.“
„Nennen wir es nicht Erziehung, sondern das zusammen Leben
mit heranwachsenden Menschen. „Erziehung“ hat für mich immer den Geschmack von
oben nach unten. Das widerspricht aber meinen Erfahrungen. Es ist ein
beidseitiges Geben und Nehmen und gemeinsames Lernen und Wachsen. Und ja, es
ist arbeitsintensiv. Auf der Erwachsenenseite vor allem Arbeit an sich selbst.
Läuft irgendwas schief mit und bei dem Kind, dann muss ich zuerst bei mir
gucken. Das Kind spiegelt mich und meine Art des Umgangs mit mir und ihm. Bleibe
ich in kritischen Situationen bei mir, erledigen sich die meisten starren
Erziehungskonzepte ganz von selbst. Eine sehr bereichernde Arbeit, ja. Ach, und
vielleicht noch das: Perfektion gibt es nicht. Alles ist im Fluss, Fehler sind
Lehrmeister und liebevoller Umgang mit sich selbst und anderen ist das
Schmieröl für lebendige und freudvolle Beziehungen, auch mit den Kindern. Das
lehren sie uns nämlich und sind voller Verständnis für den Mist, den wir da ab
und an bauen.“
Du lehrst mich jeden Tag aufs Neue:
Perfektion gibt es nicht
Alles ist im Fluss
Meine Fehler sind unsere Lehrmeister
Der liebevolle Umgang mit sich selbst
und anderen ist das Schmieröl
für lebendige, bereichernde Beziehungen
Auch und gerade mit euch Kindern
Danke!
Regeln für die Regeln
So wenige wie möglich, so viele wie notwendig
Alle! Beteiligte müssen den Sinn einer Regel verstehen
und nachvollziehen können.
Am besten stellt man die Regeln gemeinsam auf.
Die Regeln gelten für alle Beteiligten, es sei denn,
die Ausnahmen wurden benannt, verstanden und akzeptiert.
Regeln leben auch durch Vorbild.
Die Konsequenzen für Regelbrüche sind offen, klar und
gemeinsam beschlossen.
Regeln unterliegen keiner Willkür. Sie gelten nicht
heute so und morgen so. Solange sie vereinbart sind, gelten sie.
Jeder hat jedoch jederzeit das Recht, eine Regel in
Frage zu stellen. Dann wird gemeinsam ein neuer Konsens/eine neue Regel hergestellt.
Ein Regelbruch
ist keine Infragestellung der Regel. Das sind zwei ganz unterschiedliche
Ebenen.
Regeln sind kein Selbstzweck. Trotzdem geben sie, wie
Rituale, Sicherheit, Struktur und schaffen Gemeinschaft. Wenn sie denn
gemeinsam verstanden, erstellt und akzeptiert wurden.
Offene und ehrliche Kommunikation ist die Basis
jedweder Regelei.
Regeln sind kein Machtinstrument. Werden sie als
solches missbraucht, dann sind es keine Regeln mehr, sondern einseitig
erlassene Vorschriften.
Regeln kann man brechen. Die Konsequenzen nimmt man
eigenverantwortlich gelassen in Kauf.
Ich weiß schon, warum ich eine Anhängerin der
SoWenigWieMöglich Fraktion war und bin.
Irrtum
„Können Sie mir etwas über das pädagogische Konzept Ihrer
Einrichtung erzählen?“
„Bei uns werden schon die Kleinsten kindgerecht an
bildungsrelevantes Wissen und entsprechende Themen herangeführt. Aufgrund
unserer geförderten Personalgestaltung bieten wir zwei bzw. drei sprachige
Gruppen mit Muttersprachlern an. Wir fördern, nach den allerneusten
Erkenntnissen angeleitet, das kindliche Potential und legen Wert auf
strukturierte Angebote und einen ebensolchen Tagesablauf. Zusätzlich können in
den Nachmittagsstunden bestimmte Lernfelder (z.B. musikalische Früherziehung,
angeleitete Tanzgruppe, Vorschulerziehung, gewaltfreie Kommunikation,
Kinderyoga) zur Vertiefung hinzu gebucht werden. Ab dem 5. Lebensjahr gehen die
Kinder in die Vorbereitungsgruppen für die Schule. Wir arbeiten sehr eng mit
den umliegenden Grundschulen zusammen, so dass der Übergang von Kindergarten in
Schule leichter fällt.“
„Ach nein, das ist uns zu billig. Sie bieten ja
anscheinend nur marktkonforme Förderung, Bildung, Erziehung an. Das wollen wir
nicht für unser Kind. Wir hätten schon ganz gerne eine hochqualifizierte
Einrichtung, in der das Kind einfach Kind sein darf. Aus dem Kind soll ja
schließlich mal was werden.“
Traumerfüller
Manche Erwachsene verstehen da etwas miss, darum kann es
gar nicht oft genug wiederholt werden: Für die Erfüllung deiner Träume bist nur
du zuständig. Weder der Partner, noch die Partnerin und schon gar nicht dein
Kind oder deine Kinder. Immer wieder erlebe ich es, dass Kinder die unerfüllten
Träume ihrer Erwachsenen erlösen sollen. Diese Aufgabe ist unerfüllbar und
macht alle Beteiligten krank: Das Kind, weil es damit völlig überfordert und
den Erwachsenen, weil der Geschmack der angestrebten Traumerfüllung ein
bitterer ist. Lasst es einfach sein, es bringt nichts außer Leid und
Enttäuschungen auf allen Seiten. Habt euch bedingungslos lieb, das ist schon Aufgabe genug.
Knusperhäuschen
„Ja, die Hexe hätte heute keine Chance mehr mit ihrem verlockenden Knusperhäuschen.“
„Wie kommen Sie denn jetzt auf so was, Frau Müller?“
„Mir ging gerade durch den Kopf, dass die Kinder heute viel
zu gut geschult sind in all den Feinheiten der Lebensmittelzusätze und wie
gefährlich die sind. Wegen Allergien und Unverträglichkeiten und so.
Süßigkeiten sind das große Bäh.“
„Aber, Frau Müller, Kinder sind Kinder! Und Kinder lieben
Süßbatsch. Die könnten nicht widerstehen.“
„Doch, würden sie. Sie sind derart eingeschnürt in
elterliche Überwachung und Behütung. Die würden sich nicht trauen. Die kämen ja
nicht mal bis in den Wald.“
„Arme Kinder. Dann könnten sie die Hexe ja gar nicht in
den Ofen stoßen.“
„Eben. Darum geht es doch.“
Emotionaler Missbrauch
Deine
Vergangenheit
kann niemand ändern.
Aber wir können gemeinsam
die alten Muster aufspüren,
dem Schmerz, der Traurigkeit
und dem Zorn des Kindes
einen sicheren Raum und
eine Stimme geben.
Lass uns eine neue, erwachsene
Melodie für Dein Leben schreiben.
Emotionaler Missbrauch durch die Eltern gräbt sich tief
in die eigene Seele ein und lässt sich nur schwer entwirren. Manche Menschen
tragen diese Bürde ihr ganzes Leben lang mit sich herum, wiederholen die
selbstverletzenden Muster in eigenen Partnerschaften und geben diese in vielen
Fällen an ihre eigenen Kinder weiter.
Emotionaler Missbrauch hat oft ein scheinbar
fürsorgliches, liebevolles Gesicht. Versteckt sich hinter einem „Ich tue doch
alles für dich.“ und „Ich will doch nur dein Bestes!“. Und doch steckt dahinter
immer auch die unausgesprochene Botschaft: „Sei dankbar!“, „Sei brav!“ und „Sei
so, wie ich es will und brauche!“. Ansonsten droht Liebesentzug oder gar
Bestrafung.
Kinder verwickeln sich, weil sie es nicht anders können
und gelernt haben, oft in Schuld und Scham. Sie reagieren mit vorauseilendem
Gehorsam, doch in ihnen gärt ein nebliges Wissen um die ihnen zugefügten
Ungerechtigkeiten. Es zerreißt sie innerlich und schreddert jeden kleinsten
Funken von Selbstgewissheit. Die eigenen Bauchgefühle werden zum inneren Feind.
Bindungsunfähigkeit, Nähe – Distanz Problematiken, Angstzustände, Beziehungsunfähigkeiten Abhängigkeitsverhältnisse, mangelndes Selbstbewusstsein, selbstverletzendes
Verhalten sind nur einige der möglichen Folgen.
Die natürliche Reaktion auf emotionalen Missbrauch wäre
der Zorn. Doch der ist verboten: Durch die Eltern, das soziale Umfeld und
später durch sich selbst. Es bleiben die Angst, die Scham und das Schuldgefühl
und weben ein festes Netz um jedes mögliche „Nein“, um jeden Gedanken an
Unabhängigkeit, um jeden Schritt in das eigene, selbstbestimmte Leben.
Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir
können gemeinsam die alten Muster aufspüren und als Erwachsene dem Schmerz, der
Traurigkeit und dem Zorn des Kindes einen sicheren Raum und eine Stimme geben
und neue, erwachsene, Verhaltensmuster erarbeiten.
Das ist kein Spaziergang. Jeder Schritt kann wehtun. Es
braucht seine Zeit. Hilfreich ist eine kompetente Begleitung auf diesem Weg.
Das ist mein Job.
Kinderschutz
Das ist etwas, was ich noch nie verstanden habe und was
mir schon vor vierzig Jahren beim Kinderschutzbund bitter aufgestoßen ist und
mich seitdem immer wieder und wieder hilflos erstarren lässt: Warum zählt der
sofortige Schutz des Kindes weniger als die mögliche Unschuldsvermutung in
Bezug auf die Eltern? Ich kapiere es nicht, ich kapiere es einfach nicht. Wenn
ein kleines Kind mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus kommt, dann hat es!
und nicht die Eltern, ein Recht auf jetzigen Schutz. Sofort. Punkt. Was ist
daran so schwer umzusetzen? Man könnte sich eventuell geirrt haben und das Kind
ist wirklich die Treppe runter gefallen? Jesses, ja und? Dann wird das in Ruhe
geklärt und in dieser Zeit kann das Kind vielleicht ein wenig gesunden. Es
könnte aber auch anders sein. Und dann? Jedes gequälte und totgeschlagene Kind
ist eines zu viel. Das Recht des Kindes auf umfassende und jederzeit zu
sichernde körperliche und seelische Unversehrtheit wiegt meiner Meinung viel
schwerer als die Befindlichkeitsstörungen von Eltern und Jugendamtsmitarbeitern.
... Und für die ganz Schlauen: Die jeweilige ethnische Zugehörigkeit von Eltern
und Kind spielt überhaupt keine Rolle.
Ja, es wird ein riesen Bohei gemacht und alles ertrinkt
in Vorschriften, Ausführungsbestimmungen, Amtshierarchien,
Zuständigkeitsgerangel, Ängstlichkeiten, mangelnder Zivilcourage,
Fünfausfertigungsformularen, Anträgen, Absprachen, Teamsitzungen, Blablablubbs
- und zwischendrin verrecken die Kinder.
Baby schreit
Babys schreien lassen. Aus welchen verquerten Gründen
auch immer, scheint dies immer noch oder schon wieder durch die Köpfe so
mancher Menschen, und auch Pädagogen, als ein probates „Erziehungsmittel“ zu
spuken. Mir wird schlecht.
Da kleine Menschen noch kein Zeitgefühl haben, ist eine
Sekunde schreien für sie identisch mit einer Ewigkeit. Allein dieser Gedanke
schmerzt mich. Wie entsetzlich muss es sein in einem unendlichen Zeitkontinuum
sich einsam und verlassen und nicht gehört zu fühlen. Manchmal denke ich, dass
keine Minute der späteren Zuwendungen diesen Schmerz je gänzlich wird heilen
können. Es prägt, ganz, ganz tief innen. Folgen: Gefühlte Einsamkeit,
Bindungsängste, tiefe Zweifel an der eigenen Selbstwirksamkeit. Kann man das
"heilen"? Nein, wenn ich ehrlich bin, dann denke ich, dass diese
Wunde niemals verheilen wird. Man kann sie nur pflegen, so dass sie nicht
permanent nässt und man kann vielleicht verhindern, dass sie immer wieder zu
sehr aufreißt, indem man sich ihrer bewusst wird und sie als Teil von einem
selbst liebevoll annimmt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist möglich.
Krippenspiel
“Aber es führt kein Weg um die
Einsicht herum, dass die Mehrheit ganztagsbetreuter Krippenkinder, selbst wenn
sie in schönen Räumen mit anregendem Spielzeug von engagierten Erzieher/-innen
betreut wird, den Tag in ängstlicher Anspannung verbringen, dass sich dies bei
einem Teil der Kinder in anhaltenden Verhaltensauffälligkeiten niederschlägt
und dass mit dieser Form der Betreuung Risiken für die langfristige seelische
und körperliche Entwicklung einhergehen.” (R.Böhm)
Kann ich aus meiner Erfahrung im
U3 Bereich nur bestätigen. Morgens heiße Tränen beim Verabschieden und dann ab
mittags dieses sich steigernde ängstliche Vergewissern, ob Mama/Papa ganz
bestimmt wieder kommen. Manche der Kleinen sind zwischen 7 und 9 Stunden in der
Einrichtung. Das ist an vielen Tagen schlichtweg zu lang. Zum Wohl des Kindes
ist das nach meiner Meinung alles nicht. Und dann beschweren sich die Eltern
auch noch, dass ihr Kind abends nicht einschläft bzw. in der Nacht unruhig
schläft und verlangen von der Betreuung, die Kinder mittags nur ja nicht zu
lange schlafen zu lassen, da sie hierin die einzige Ursache für ihre gestörte
Nachtruhe sehen. Das ist alles so gaga, Leute. Immerhin lerne ich gerade voller
Optimismus: Meine Berufssparte, die der Therapeuten, wird in Zukunft nicht
arbeitslos werden. *grummel
Nein, dich interessiert nicht
wirklich,
dass es da schon Frühstück gibt.
Du weinst.
Nein, du willst dir nicht das
neue Auto angucken,
oder mit Leon spielen.
Du weinst.
Nein, du willst nicht noch vom
Fenster aus winken
und von der fremden Frau fest
gehalten werden.
Du weinst.
Nein, du glaubst nicht, dass sie
wieder kommen wird.
Du weinst.
Deine Tränen interessieren nicht.
Sie werden mit Gedudel und glatten Lügen übertüncht. Animationsgedöns, bis
Gefühle verschluckt werden und sich ein Lachen über deine Lippen drängt. Du
spürst, dass du damit der Frau, die dich im Arm hält, eine Freude machst. Also
schluckst du tapfer weiter und lachst und spielst und verteilst Freude. Nur ab
und an, da werden deine Augen groß, sind weit weg und nass. Und wenn das
Schlucken nicht mehr klappt, dann schubst du mal willkürlich, beißt oder
schlägst um dich. Dann hält sie dich wieder, diese Frau und schenkt dir alleine
für ein paar Minuten Aufmerksamkeit. Dein leises Weinen hören sie nicht, dein Schreien
und Toben schon. Was lernst du nur daraus, Kind?
Das ungewollte Kind
Die beste Basis für jedes Menschenkind:
In Liebe gewollt, empfangen, willkommen,
angenommen und begleitet.
Wir alle tragen mehr oder weniger tiefe vermeintliche
Verletzungen, Demütigungen, und Erniedrigungen (ich meine hier nicht! Gewalt
und Machtmissbrauch gegen das Kind in jedweder Form) aus der Kindheit mit uns
rum.
Das ist an sich nichts Tragisches. Es gehört zum
Aufwachsen dazu und hat meistens seinen Grund in den unterschiedlichen
Wahrnehmungsebenen von Kindern und Erwachsenen. In der Regel können wir die
dazugehörigen Bilder und die daran gekoppelten Emotionen später auflösen und
freundlich wohlwollend damit, mit uns und mit allen Beteiligten umgehen.
Es gibt jedoch ein Trauma, das so tief geht, dass es kaum
bewusst ist, unser Denken und Handeln aber über Jahrzehnte bestimmt und die
Flexibilität unserer Wahrnehmungsfilter blockiert.
Dieses Trauma nenne ich „Das Drama des ungewollten Kindes“.
Dieses Nichtgewollt- und Nichterwünschtsein bestimmt
sowohl das Verhalten der so fühlenden Erwachsenen gegenüber dem Kind, als auch
dessen Wahrnehmung und Interpretationen von eben diesem Verhalten. Gleichzeitig
verunsichert es das Kind zutiefst. Es traut seinen eigenen Empfindungen nicht
mehr. Sein Bauchgefühl wird, besonders dann, wenn seine Erwachsenen aus einem
diffusen Schuldgefühl heraus die Fürsorge zum Teil ins Absurde steigern oder
sich Fürsorge und Vernachlässigung undurchschaubar in einem Affentempo
abwechseln, von ihm verleugnet.
Die Auswirkungen sind umfassend und fatal. Schuldgefühle,
niedriges Selbstvertrauen, Verlassens- und Versagungsängste, Bindungsstörungen,
einbetonierte Glaubenssätze, unversöhnliche innere Richterinstanz und die
daraus sich ergebenden manifestierten Handlungsmuster (z.B. kontextunabhängig
bemühtes Wohlverhalten, diffuse Traurigkeiten, Fluchtreflexe bei Nähe, u.v.m. )
bilden einen dichten Kokon in dem Inneres Kind und Erwachsener untrennbar
miteinander verwoben sind.
Die Wege daraus sind vielfältig und immer individuell.
Das Erkennen, die Verarbeitung und die Transformation dieser grundlegenden
Erfahrung und die Veränderung eingeübter Muster brauchen jedoch, egal welcher
Weg gewählt wird, Geduld mit und sehr viel Wohlwollen für sich selbst . Ohne
Unterstützung und Begleitung von außen geht da meistens gar nix.
Erwachsen werden
Du sollst nicht laufen, rennen, schreien,
sollst jedem jeden Scheiß verzeihen.
Sollst dich in die Ecke hocken,
leise sein und nicht mehr bocken
Sollst dein Herz ganz tief verstecken,
ja nicht deinen Zorn entdecken.
Du sollst brav sein, artig, zahm,
allerliebst und knetbar warm.
Solltest du mal aus Versehen
staunend doch im Regen stehen,
kommt gleich einer angerannt,
drückt dich wieder an den Rand.
Legt ne dicke Akte an,
weil er´s darf und weil er´s kann.
Darauf steht ganz fett gedruckt:
Wer hier aufmuckt, wird geschluckt,
durch gekaut und ausgespuckt.
Also lerne ganz geschwind:
Werd erwachsen, sei kein Kind!
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