Emotionale Gewalt


Kindliche Wut ist eine gesunde Reaktion auf ungesunde Verhältnisse.
Wird sie unterdrückt, verdrängt, gestapelt, so sucht sie sich,
auch in späteren Jahren noch, seltsam verquerte Ausdrucksformen.


Emotionaler Missbrauch durch die Eltern oder sonstige Bezugspersonen gräbt sich tief in die Seele ein und lässt sich in späteren Jahren nur schwer auseinanderdividieren. Manche Menschen tragen diese Bürde ihr ganzes Leben lang mit sich herum und geben die zugrunde liegenden Muster in vielen Fällen an ihre eigenen Kinder weiter.

Emotionaler Missbrauch hat oft ein fürsorgliches, liebevolles äußeres Gesicht. Versteckt sich hinter einem „Ich tue alles für dich.“ und „Ich will doch nur dein Bestes!“ und, eines der stärksten Geschütze, „Was habe ich nicht alles für dich getan!“ Und doch steckt dahinter immer auch die unausgesprochene Botschaft: „Sei dankbar!“, „Sei brav!“ und „Sei so, wie ich es will und brauche!“. Ansonsten droht Liebesentzug oder gar Bestrafung.

Die natürliche Reaktion auf emotionalen Missbrauch wäre die Wut. Doch die ist verboten: Durch die Eltern, das soziale Umfeld, durch sich selbst. Es bleiben die Angst und das Schuldgefühl und diese weben ein festes Netz um jedes mögliche „Nein“, um jeden Gedanken an Unabhängigkeit, um jeden Schritt in das eigene, selbstbestimmte Leben.

Emotionaler Missbrauch – eines der Themen, mit dem sich unsere Gesellschaft sehr schwer tut. Der Gral der „heiligen Familie“ als Hort von Fürsorge und Geborgenheit zerbröselt auf der einen Seite und bildet auf der anderen Seite immer noch den undurchdringlichen Schutzwall und Deckmantel für emotionale Gewalt gegen Kinder.

Emotionaler Missbrauch - emotionale Gewalt – psychische Gewalt – seelische Gewalt findet in der Regel in geschlossenen Systemen statt, in der Familie, in Heimen, Internaten, Sportgruppen und ähnlichen Institutionen. Er ist, anders als die körperliche Gewalt, schwer nachweisbar und die Dunkelziffer ist hoch.

Zu den Formen der emotionalen Gewalt gehören unter anderem: Liebesentzug, Abwertung, Demütigung, Drohung, Verunsicherung, Isolierung, Manipulation, Diskrepanz zwischen Inhalts- und Bedeutungsebene von Aus/Ansagen, Terror.

Die Folgen (Traumatisierung) sind unter anderem: permanente Verunsicherung, Angst, mangelndes Selbstbewusstsein, niedriger Selbstwert, unangemessene Angepasstheit, verschobene Selbst- und Fremdwahrnehmung, vorauseilender Gehorsam, Panikattacken, Misstrauen, Verlustängste, Bindungsunfähigkeiten, Autoritätsgläubigkeit, Spaltung der Persönlichkeit, kein (Selbst) Vertrauen, Dissoziative Identitätsstörung, sich selbst oder andere verletzendes Verhalten.

Emotionaler Missbrauch versteckt sich gerne hinter den Glaubenssätzen einer starren Pädagogik und überlieferten und unreflektierten Erziehungsidealen, die das Wohl des jeweils einzelnen, einzigartigen Kindes als zentralen Fokus nicht oder nicht mehr auf dem Bildschirm haben.

Was tun? Sensibilisierung und Reflexion sind angesagt, auch und gerade bei sich selbst und im eigenen Umfeld. Und den Mund auf machen. Laut und deutlich benennen. Den seelisch Missbrauchten eine Stimme und eine Hand geben. Denn es gibt ein Schweigen, das lügt, verletzt und tötet.