Wenn - Dann

„Kommt man wirklich ohne „wenn du nicht…, dann…“ im Zusammenleben mit Kindern aus?“

„Nöh. Weil wir keine Maschinen sind, weil Alltag stressig sein kann, weil wir oft ganz schrecklich hilflos und überfordert sind, weil es Situationen gibt, in denen aus allen Ecken an uns rumgezerrt wird, und, und, und.“

„Und dann?“

„Was dann? Wir brechen zusammen und fühlen uns sooooo schuldig. Sind schlechte Mütter und Väter und haben jetzt endgültig das Leben unserer Kinder total und ein für alle Mal versaut!... ... ... Quatsch!!! Ernsthaft: Darum geht es gar nicht. Es geht um die prinzipielle innere Haltung zum Kind. Um klare und immer wieder neu reflektierte und kalibrierte Rahmenrichtlinien in unseren Köpfen und Herzen. Eine Richtschnur, feste Säulen, Glaubenssätze, Leuchtfeuer, an denen wir uns entlang hangeln, scheitern, sie hinterfragen, die Richtung haltend und es wieder und wieder mit aller Kraft und unter dem Einbringen unserer ganzen Person versuchen.

Wer behauptet, er/sie hätte nie im Alltag auch schon in den pädagogischen Mistkübel gegriffen, der lügt bzw. belügt sich selbst. Es zu bemerken und dann zeitnah zu kommunizieren, darum geht es. Auch. Sich erklären, sich, wenn passend, zu entschuldigen. Es geht nicht um Rechtfertigung, denn im Recht war man da sicher nicht und es ist auch kein passender Begriff in diesem Kontext.

Auch ich habe zu meinen Kindern damals ab und an gesagt, dass ich keinen mehr Bock hätte, dies oder jenes zu tun, solange sie nicht vorher dies oder jenes machen würden. Auch ich bin wie ein Flummi hopsend durch die Wohnung gerast und habe die Wenn-Dann-Formel gebrüllt. Wobei, beim Füllen des Dann bin ich meistens hängen geblieben, weil mir nichts Gescheites einfiel. Brachte ja auch so gar nichts, wurde meistens sofort von mir bemerkt und in der Regel lagen wir dann gemeinsam lachend ob diesem absolut sinnlosen Unfug von mir im Flur oder auf der Couch. Oder wir hatten ein Gespräch am Küchentisch. Als sie älter waren, so Schuleintrittsalter, langte es oft, dass ich sie um Rat fragte: Euer Verhalten macht das und das mit mir, ich fühle mich dann so hilflos und überfordert. Ich weiß nicht, was ich dann machen soll, so ganz und gar nicht. Was würdet ihr denn an meiner Stelle tun? Es kamen immer tolle Vorschläge.

Allerdings gab es einmal ein Wenn-Dann, das ging tief, bei mir und bei ihnen: Die Zimmer sahen aus wie Müllhalden, es lebte quasi schon in allen Ecken und sie ignorierten mich völlig. Da rutschte mir, im ganz leisen Ton, raus: Wenn ihr nicht Kinder wärt, sondern Erwachsene, dann würde ich ab sofort nicht mehr mit euch zusammenwohnen, sondern euch einfach rausschmeißen. Weil ich keinem Erwachsenen erlauben würde, so mit mir umzugehen. Das saß. Bei ihnen und mir. … … … Wir haben dann gemeinsam eine Lösung gefunden. Martha. Eine Putzwunderbarefrau. Die machte, beim ersten Besuch, die klare Ansage zu den Kindern, und zwar direkt zu den Kindern, ich war da ganz außen vor, dass sie keinen Handschlag in ihren Zimmern machen würde, wenn nicht aufgeräumt sei. Also entzerrten wir das elendige Aufräumthema derart, dass nur noch am Abend vorher wir alle unseren Kram aufräumten und in den Tagen dazwischen es einfach kein Thema war. War eine tolle Zeit. Danke Martha!

Warum erzähl ich das alles? Weil ich klar stellen wollte, dass, trotz besserem Kopfwissen, keiner von uns 24 Stunden rund und perfekt läuft. Und das es darum halt einfach auch nicht geht. Die Kinder dürfen sehr wohl erleben, dass wir Fehler machen und toll unperfekt sein können. Dass es darum geht, das zu kommunizieren und sie am eigenen Lernprozess zu beteiligen. Und dass wir so viel voneinander lernen können. Und das wir gemeinsam für die Qualität unseres Zusammenlebens verantwortlich sind. Gemeinsam.  Denn sie sind, genau wie wir, die wirklichen Experten ihrer selbst.

War das jetzt irgendwie verständlich?“