Meine Erfahrung: Kleine Kinder haben in der Regel ein gutes
und sicheres Sättigungsgefühl. Es wird ihnen aber immer noch abtrainiert, indem
sie gezwungen werden, zu festgelegten Zeiten, vorgegebene Speisen in einer
bestimmten Menge zu sich zu nehmen. Dies gilt auch und besonders für Säuglinge,
denn hier fängt es an.
Ja, ich denke, es hat sich etwas verändert, doch es reicht
noch lange nicht. Fürs Erste spricht,
dass sich immer mehr Erwachsene kluge Gedanken über die Ernährung machen, fürs Zweite
spricht, dass dies manchmal in einem kontraproduktiven Brimborium auf Kosten
der Kinder ausartet und immer noch der, oft gutgemeinte, Zwang die Nahrungsaufnahme
bestimmt.
Hilfreich waren mir, zu Beginn meiner Arbeit mit Kindern,
die Aussagen von Kinderärzten, dass Kinder in der Regel nicht verhungern, wenn
insgesamt genug zubereitetes Essen angeboten wird. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass da geschnittenes
Obst und Rohkost greifbar sind.
Übertriebene Thematisierung des Essens und Verbote und der
ganze Firlefanz von "Nein, du bekommst nur ein Stück davon!" und "Jetzt iss doch bitte das Müsli, das
ist doch so gesund!" über "Ich habe mir so viel Mühe gemacht mit dem
Kochen, jetzt iss es doch!" bis zum schrecklichen "Was du dir auf den
Teller gemacht hast, das musst du auch aufessen!" haben nur ein einziges
Ergebnis: Nahrung und Nahrungsaufnahme werden zu einem Problem hochstilisiert
und der intuitiv gesunde Zugang des Kindes zum Essen wird für immer zerstört.
Und das Ritual des gemeinsamen Essens? Was ist daran das
Wesentliche? Man sitzt gemeinsam am Tisch, unterhält sich, fühlt sich wohl. Das
können Kinder auch genießen, ohne dass sie sich dabei ernähren müssen. Jedweder
Zwang vermiest da nur und legt Muster, die zu einem ungesunden Verhalten führen.
Und ja, kleine Kinder dürfen auch aufstehen, wenn es ihnen zu viel wird und ja,
man kann für die Familie die Regel einführen, dass niemand alleine am Tisch
essen muss. Beides zusammen, vorgelebt, indem man auch das Kind nie alleine
lässt am Tisch, führt meistens dazu, dass mit der Zeit Kinder gerne auch sitzen
bleiben, wenn noch jemand mit seinem Essen nicht fertig ist.
Woran merke ich persönlich, dass ein Kind anfängt
ernährungsgestört zu sein? Wenn es anfängt, ungesunde Dinge, vor allem Süßes, wenn
es denn ausnahmsweise (zum Beispiel Kindergeburtstage) freien Zugang dazu hat, ohne
Sinn und Verstand in sich rein zu stopfen. Kinder mit einem noch natürlichen
Sättigungsgefühl legen sogar die angebissene Schokolade wieder zurück, weil sie
einfach satt sind.
Falsches Essen? Zu viel Süßbatsch, zu viel Fettes, zu viel
Ungesundes? Jesses, das kleine Kind geht doch nicht selber einkaufen. Wenn das Zeugs
nicht im Haus ist, dann wird auch nicht drum gekämpft.
Kurzfassung:
Kinder verhungern nicht bei genügend Angeboten, auch wenn
sie über Tage nicht zugreifen.
Kinder werden nicht krank und entwicklungsgestört, wenn sie
über Wochen nur ihre (gesunden) Lieblingsspeisen zu sich nehmen.
Das Angebot bestimmt hier die Nachfrage und für das Angebot
bist du verantwortlich.
Essensaufnahme darf niemals zu einem Machtkampf werden. Niemals
und in keiner Weise. Verlierer ist immer das Kind, mit oft lebenslangen Folgen.
Vertrau deinem Kind!