Bester Rat für Eltern pubertierender Wesen: Es geht vorbei!
Kennst du das? Man sitzt gemütlich vorm PC, vertieft in
irgendein ruhiges Spiel. Ganz entspannt und gelassen.
Ein Kreischen lässt einem von jetzt auf gleich erstarren und
dann in panisches Entsetzen fallen.
Man springt auf, weil man denkt, der Gasboiler sei
explodiert, der Hamster verreckt, die Waschmaschine ausgelaufen. Man stürzt in
den Flur und dort steht die Tochter vorm Spiegel und schreit wie am Spieß.
Zumindest ähnelt dieses rotangelaufene, etwas schlaksige
Wesen mit den zu langen Armen, die wie wild an irgendwelchen Kleiderfetzen
rumzerren, entfernt dem Bild von dem süßen kleinen Dingelchen von vor kurzer
Zeit, das man noch im Kopf mit sich herumträgt.
Auf die vorsichtige Frage (man ist ja lernfähig und bleibt
lieber etwas indirekt), was denn los sei, bekommt man halb schluchzend, halb
röchelnd mitgeteilt (kennst du den sterbenden Schwan? Ja, so in etwa!), dass
die Welt am Untergehen sei, weil es nichts, aber auch gar nichts zum Anziehen
gäbe für den heutigen Geburtstagsbesuch bei der besten Freundin!
Ähm.
Die leise geäußerte Vermutung, dass sie vielleicht nicht
richtig in ihren Schrank geguckt hätte, führt dazu, dass der Ton ihrer Stimme
um einige Grad tiefer und kälter wird.
"Man Mama, da ist doch nur Schrott drin. Wer soll das
denn anziehen. Da gibt es nix drin, gar nix, was mir passt. Alle haben so tolle
Kleider, nur ich, ich habe nichts!"
Ähm.
"Waren wir nicht erst vor einigen Tagen einkaufen?
T-Shirts, Hose und Rock?"
"Och, das ist doch uralt. Außerdem hat die Kati gesagt,
die Marianne meinte, und Amelie und Jule auch, aber die haben eh keine Ahnung,
dass so was doch keiner mehr trägt! Ich will mich doch nicht blamieren! Und
außerdem ist der Max doch auch da."
"Warum hast du es dir denn dann ausgesucht?"
"Weil ich dachte, dass es ... dass es… ."
Blick zur Decke. Dann werden die Augen zugekniffen.
"Warum mischst du dich da überhaupt ein? Immer musst du
mit mir rumbrüllen. Du hast doch keine Ahnung. So wie du rumläufst. Völlig
uncool. Und Schuhe brauch ich auch neue!"
Ähm.
"Du hast noch welche im Schuhschrank."
"Und wozu soll ich die bitte anziehen? Die passen doch
gar nicht zu meinen Klamotten!"
"Naja, da du eh angeblich keine coolen Sachen hast, ist
es doch egal, zu was du die Schuhe anziehst. Hauptsache, du hast was an den
Füssen."
Große Augen ihrerseits, Denkfalten auf der Stirn. Es qualmt
quasi überm Kopf.
"Du bist so gemein. Alle bekommen neue Kleider. Nur ich
nicht. Du liebst meinen Bruder ja eh mehr als mich. Der darf Filme gucken
abends und ich nicht. Alle dürfen bis 22 Uhr raus, nur ich nicht. So war das
schon immer! Immer! Immer! Keiner hat mich wirklich lieb!"
Ähm.
"Was hat das jetzt mit den Schuhen zu tun?"
"Du verstehst mich nicht. Keiner versteht mich. Alle
hacken nur auf mir rum. Ich hasse euch alle, alle°! Und wenn wir nicht hier
unten wohnen würden, dann, ja dann würde ich mich aus dem Fenster stürzen und
dann würdest du schon sehen, was du davon hast!"
Tür knallt zu.
Den Tränen nahe greift man zum Telefon und ruft die beste
Freundin an. Berät sich mit ihr. Ist man zu streng? Zu unnachgiebig. Nicht
tolerant genug? Wälzt das Problem hin und her.
Überlegt sich eine tolle, pädagogisch einwandfreie Strategie für ein
klärendes Gespräch.
Die Tür geht auf. Das Wesen, das wie die Tochter aussieht,
kommt rein gehuscht, kuschelt sich auf den Schoß, küsst und knuddelt.
"Mamilein, kommst du bitte mit in den Keller?
Biiiitteee. Ich möcht was aus der Truhe holen. Aber mich gruselt es so.
Biiiitteeee!“
Achterbahnfahren. Unangeschnallt. Aber immerhin kostenlos.