Das ist etwas, was ich noch nie verstanden habe und was
mir schon vor vierzig Jahren beim Kinderschutzbund bitter aufgestoßen ist und
mich seitdem immer wieder und wieder hilflos erstarren lässt: Warum zählt der
sofortige Schutz des Kindes weniger als die mögliche Unschuldsvermutung in
Bezug auf die Eltern? Ich kapiere es nicht, ich kapiere es einfach nicht. Wenn
ein kleines Kind mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus kommt, dann hat es!
und nicht die Eltern, ein Recht auf jetzigen Schutz. Sofort. Punkt. Was ist
daran so schwer umzusetzen? Man könnte sich eventuell geirrt haben und das Kind
ist wirklich die Treppe runter gefallen? Jesses, ja und? Dann wird das in Ruhe
geklärt und in dieser Zeit kann das Kind vielleicht ein wenig gesunden. Es
könnte aber auch anders sein. Und dann? Jedes gequälte und totgeschlagene Kind
ist eines zu viel. Das Recht des Kindes auf umfassende und jederzeit zu
sichernde körperliche und seelische Unversehrtheit wiegt meiner Meinung viel
schwerer als die Befindlichkeitsstörungen von Eltern und Jugendamtsmitarbeitern.
... Und für die ganz Schlauen: Die jeweilige ethnische Zugehörigkeit von Eltern
und Kind spielt überhaupt keine Rolle.
Ja, es wird ein riesen Bohei gemacht und alles ertrinkt
in Vorschriften, Ausführungsbestimmungen, Amtshierarchien,
Zuständigkeitsgerangel, Ängstlichkeiten, mangelnder Zivilcourage,
Fünfausfertigungsformularen, Anträgen, Absprachen, Teamsitzungen, Blablablubbs
- und zwischendrin verrecken die Kinder.